12.08.2022
In Vechta regnet´s endlich wieder Bonbons
Festumzug zur Eröffnung des Stoppelmarktes ist süß, bunt und schrill/62 Gruppen mit etwa 1000 Teilnehmern
Es ist schon verdammt lang her, als es in Vechta zuletzt Bonbons regnete. Nun gab es endlich wieder diesen verführerischen Moment, der jedes Kinderherz höher schlagen lässt. Evie (5) und ihr Bruder Jahn (3) gingen am Donnerstag immer wieder in die Knie, um die Süßigkeiten aufzulesen und damit auch ihr Schwesterchen Elsa zu beschenken. Sie feierte ihren ersten Geburtstag. Die Beutel waren im Handumdrehen voll, denn zu holen gab es reichlich beim Festumzug zur Eröffnung des Stoppelmarktes.
Bei strahlendem Sonnenschein zogen am späten Nachmittag insgesamt 62 Motivwagen, Fußgruppen und Musikkapellen mit etwa 1000 Teilnehmern durch die Stadt. Ihren Weg zur Westerheide säumten tausende Menschen. Die Zuschauer am Straßenrand lechzten förmlich nach diesem Augenblick. Immerhin hatte es diese Szenen in Vechta aufgrund der Corona-Pandemie zwei Jahre lang nicht gegeben.
Für Bürgermeister Kristian Kater war die Fahrt in der weißen Kutsche eine Premiere, obwohl er schon seit November 2019 im Amt ist. Auch der traditionelle Empfang im Rathaus und die Markteröffnung waren Neuland. Der Verwaltungschef wurde von Ehrengast Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, sowie der Bundestagsabgeordneten Silvia Breher und Landrat Tobias Gerdesmeyer begleitet.
Die Umzugsteilnehmer ließen keinen Zweifel daran, dass nun wieder die Zeit des Feierns gekommen ist. Bunt, schrill und spaßig soll´s zugehen. Diese Botschaft vermittelte der Vechtaer Carnevals Club (VCC), der sich nach den Entbehrungen in der letzen Session dazu berufen fühlte, die Menschen aus dem Tiefschlaf zu holen. Das Lachen des Prinzenpaares samt Gefolge sollte seine ansteckende Wirkung nicht verfehlen. Der Elferrat warb für regenerative Energien als Zeichen für den Klimaschutz.
Vielleicht hätten daran auch die Herren der Fifa denken sollen, bevor sie die Fußball-Weltmeisterschaft in ein Land mit vollständig klimatisierten Stadien vergeben. Die Pfadfinder vom Stamm Füchtel kommentierten die Winter-WM mit einer Parodie der Gegensätze: Hier Berge und Skier, dort Wüste und Fußballtrikots.
Aber wer aus Vechta raus will, muss nicht gleich in den nächsten Flieger steigen. Schließlich gibt es das 9-Euro-Ticket. Eine Abordnung aus der Bakumer Bauernschaft Südholz-Molkenstraße- Weihe (Sü-Mo-Wei) inszenierte eine Fahrt nach Sylt. So ganz reibungslos verlaufen die Begegnungen im überfüllten Zugabteil oder in der Sansibar jedoch nicht. Hier treffen plötzlich Ballermann und High Society aufeinander. Den aufwendig gestalteten Trip auf die friesische Insel hatten vor einigen Wochen schon die Besucher des Bakumer Volksfestes bewundern können.
Auch aus dem jüngsten Festumzug in Langförden fanden sich Gruppen in Vechta wieder. Hier bot sich ihnen auf dem Weg zum Stoppelmarkt die ganz große Bühne. Kleiner Haken an der Sache: Die Temperaturen waren diesmal noch höher. Vor allem die Fußgruppen kamen am Donnerstag ins Schwitzen. Das Tragen von schweren Musikinstrumenten oder engmaschigen Outfits machte die Sache nicht leichter. Den Alten Herren des Blau-Weiß Langförden liefen die Schweißtropfen aus den kunterbunten Haribo-Kostümen. Der selbst gebastelte Baum, an dem nur die roten Gummibären wachsen, spendete wenig Schatten. Zur Verteilung der Süßigkeiten blieb aber genügend Kraft.
Die Dorfgemeinschaft Bergstrup verteilte sogar Eis an die Schaulustigen. Neben dieser Erfrischung konnte das Publikum gleich noch einen Ferientipp mitnehmen. Unter dem Motto „So geiht uk – Urlaub in Bergstrup“ zeigte die Gruppe, dass man in Zeiten von Inflation und Pandemie auch zuhause bleiben kann. Mit Liegestühlen, Planschbecken und Bar lässt es sich aushalten. Da dürfen die Kinder auch gerne mit Wasser
spritzen.´
Die Nachbarn aus Deindrup sorgten für laustarke Begleitung. In ihrer Hommage an „Wacken“ schlüpfte der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft, Reinhold Bothe, in die Rolle von Heino. Der berühmte Schlagerbarde war vor neun Jahren mit Rammstein beim Open-Air aufgetreten. Nun ertönten ihre Hits in der Vechtaer City, gefeiert von Anhängern mit Kutten, Stiefeln, Kopftüchern, Tattoos und palettenweise Dosenbier.
Bei der Clique „Red Lions“ blühte sogar die gute alte Discozeit mit Entertainer Ilja Richter auf. In bunten Kleidern der 1970er Jahre tanzte die Gruppe über den Asphalt. An Getränken sollte es bei der Straßenparty nicht fehlen. Dafür sorgte schon eine Truppe aus Elmelage, wo Unglaubliches zutage gefördert wird: Aus dem selbst gebauten Bohrturm und der Pferdekopfpumpe floss Gerstensaft statt Rohöl.
Darüber hinaus erwies sich der Umzug einmal mehr als willkommene Werbeplattform. Das ließen sich einige Parteien nicht nehmen, wobei ihre Kreativität bis zur Landtagswahl gerne noch etwas zulegen darf. Deutlich besser machten es die „Lohne Longhorns“. Sie weckten Lust auf American Football. Gut möglich, dass beim nächsten Heimspiel am 19. September mehr Zuschauer am Spielfeldrand stehen. Aber bis es soweit ist, wird erstmal Stoppelmarkt gefeiert.
Die offizielle Eröffnung ging am Donnerstagabend nach der Ankunft des Festumzugs wie gewohnt vor dem Amtmannsbult über die Bühne. Anschließend erfolgte der traditionelle Fass- Anstich im Festzelt Blömer. Der Griff zum Holzhammer war richtungsweisend: Bis zum kommenden Dienstag soll auf der Westerheide das Bier fließen. Die gute Nachricht für alle Kinder: Bonbons gibt es bei dem Volksfest selbstverständlich auch.
Foto: M. Niehues